Montag, 7. November 2011

Muss nur noch kurz die Welt retten

"Muss nur noch kurz die Welt retten, danach flieg’ ich zu dir. Noch 148 Mails checken, wer weiß, was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel." Dieses Lied kennen Sie sicher auch!?

Wir könnten die ersten beiden Sätze auch für unsere Wirtschaftssysteme anwenden. Da verwirklichen sich Politiker im blanken Aktionismus, ohne zu begreifen, dass die Welt nur noch dann zu retten ist, wenn man global zusammenarbeitet. Doch hier fängt dann die Kleingeisterei an.

Wie Sie es ja von mir gewohnt sind, nachfolgend ein paar Beispiele. Nehmen wir einmal den Telekommunikationsmarkt. Hier dürfen Sie eine Festnetznummer mit einer bestimmten Vorwahl nur dann erhalten, wenn Sie im entsprechenden Ge-biet Ihren Wohn- oder Firmensitz nachweisen. Wenn Sie die Nummer dann erst einmal bekommen haben, sind Sie dank des Internets jedoch z.B. auch in der afrikanischen Savanne unter dieser deutschen Rufnummer erreichbar, vorausgesetzt, Sie haben dort einen Internetanschluss. Warum erzähle ich Ihnen das? Weil schön längst die Globalisierung, dank des Internets, viel schneller voranschreitet, als unsere Politiker in Ihren Entscheidungen nachkommen. Hier diskutieren wir über einen Mindestlohn, und dort wird einfach der Telefonanschluss von Berlin nach Mombasa verlagert, wo ein deutsch sprechender Afrikaner, der in Deutschland studiert hat, froh ist, für ein deutsches Unternehmen zu arbeiten. Er bekommt dann einen Monatslohn, den wir hierzulande für einen halben Tag verlangen. Doch wie kann man solche Probleme lösen? Nun, ein Ansatz wäre, dass die Unternehmen, die in Deutschland oder der EU verkaufen wollen, aber hier nicht produzieren oder Ihre Mitarbeiter beschäftigen, eine irgendwie geartete Steuer zahlen müssen, um den Wettbewerb, den das Internet zusehends ausschaltet, zu regulieren. Ich möchte betonen, dass ich ein absoluter Anhänger der Marktwirtschaft bin, dank des Internets funktioniert diese jedoch zunehmend weniger oder zwischenzeitlich so brutal, dass wir uns über die neue Wirtschaftsordnung "Internet" schleunigst Gedanken machen müssen. Gemäß dem Motto ‚der Sozialismus ist gescheitert’, die Marktwirtschaft steht vor dem Aus, die neue Wirtschaftsordnung heißt "Internet"‚. Es kann nicht angehen, dass wir Betriebswirte, Ingenieure usw. ausbilden und diese in einem Niedriglohnland für Hungerlöhne arbeiten und die Arbeitsplätze bei uns verloren gehen. Der Mindestlohn wirkt hier kontraproduktiv, auch wenn dies in diesen Tagen keiner hören will. Es muss eine Welt umfassende Steuer in Angriff genommen werden, die diese Ungleichgewichte aus der Welt schafft. Nein, einen gut durchdachten Lösungsansatz habe ich bisher auch nicht für das Problem, unstrittig ist jedoch, dass viele Jobs, insbesondere im Dienstleistungsbereich, zwischenzeitlich von jedem Punkt der Erde aus getätigt werden können. Wie erwähnt, es wird lediglich ein Internetanschluss benötigt.

Noch ein Beispiel für alle Leser, denen die Ausführungen gerade zu abstrakt waren. Sicherlich haben auch Sie schon einmal bei ebay oder Amazon gekauft. Wie läuft der Kauf ab? Sie sehen sich die Ware im Geschäft an, dann geht es nach Hause, mit der Typbezeichnung wird auf Google, Ebay oder Amazon und wie sie alle heißen, nachge-schaut und siehe da - was wir eben noch im Fachgeschäft angesehen haben und uns in allen Einzelheiten von einem Verkäufer haben erklären lassen, bekommen wir für 30 oder 40 % des Preises auch über das Internet. Dass das Produkt direkt aus dem fernen Osten verschickt wird, spielt keine Rolle, Hauptsache, für das gesparte Geld ist noch ein Kurzurlaub möglich. Haben Sie sich einmal darüber Gedanken gemacht, dass hier auch der noch so nett gemeinte Mindestlohn versagt? Schauen Sie sich doch einmal die Innenstädte an, ein Geschäft schließt nach dem anderen. Schuld daran sind wir alle. Wir wollen den Mindestlohn, aber für wen? Die Dienstleistungsbranche wird dank unse-res Mindestgebots nach und nach verschwinden, die schönen Innenstädte, in denen wir so gerne bummeln, werden zu Wüsten - schöne neue Internetwelt.In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende

Dieser Artikel erschien als monatliche Kolumne von Hubert Weinlich im Newsletter der Börsen Hamburg/Hannover. Hier der Link zum Original-Artikel